Kapitel 1

Augen auf, Augen zu - anders sehen.

Wir wissen nun daß wir von dem Wellenwahn um uns herum nur einen Bruchteil sehen können. Vielleicht auch besser so ;-)
Beim Thema Infrarot kommt vom enthusiastischen Laien immer wie aus der Pistole "Ah, Wärmefotografie!". Das muss immer erst mal entkräftet werden und eine wichtige Unterscheidung kommt ins Spiel. Das gesammte Infrarotband kann man in zwei Teile trennen - der erste Teil, der Wellenbereich von 780nm bis ca. 1200nm ist das "nahe" Infrarot, nah, weil es direkt an unser sichtbares Spektrum anschließt. Danach kommt das "ferne" Infrarot - das nicht mehr mit optischen Mitteln sichtbar gemacht werden kann sondern nur noch mit Sensoren. Wärmebildkameras sehen dort hinein.
Wir kümmern uns als Glasbenutzer also nur um das nahe Infrarot, ist auch schon spannend genug.

Grundsätzliches zum Thema Licht, Farben und Sehen:

Lichtwellen treffen aus der Richtung, von der sie abgeschossen wurden auf Objekte. Jedes Objekt reflektiert oder absorbiert eine ihm eigene Anzahl davon - wenn gar nichts vom Objekt an unserem Auge ankommt, also alle sichtbaren Strahlen geschluckt werden wird das Objekt als Schwarz gemeldet. Wenn das gesammte Spektrum in unser Auge reflektiert wird ist es Weiss - und so natürlich auch für alle Farben dazwischen. Da wir die verschiedenfarbigen Fotopigmente im Auge tragen kann aus den einzelnen "Kanälen" ein später farbiges Bild im Hirn erzeugt werden.

Wenn wir uns nur eine Spektralfarbe allein ansehen wollten müssen wir alle anderen Farben wegfiltern. Angenommen wir hätten einen frei definierbaren Filter in dem wir genau einstellen könnten welchen Frequenzbereich wir sehen möchten und was alles verdeckt werden soll, das Ergebnis wäre selbstverständlich ein rein monochromes Bild. Ein Farbauszug allein hat nur Helligkeitswerte - von schwarz bis weiß.

Mit diesem Hintergrund gucken wir jetzt in das Band von 780nm bis 1200nm.
Gäbe es einen Filter der diesen gesammten Bereich darstellen kann würden wir ein ziemlich flaues Bild bekommen da 420nm allein für einen Auszug schon recht viel sind. Gut dass die verschiedenen Filtertypen sowieso wesentlich engere Fenster haben durch die ins nahe Infrarot sehen.

Warum Filtern?

Weil wir sehen wollen was wir nicht sehen können. Anfangs ist es sehr interessant alle für uns sichtbaren Wellenlängen auszusperren und wirklich nur noch Wellen jenseits der 780nm-Marke durch zulassen. Ich empfehle jedem der sich dafür nicht nur aus Effektgründen interessiert sich unbedingt einen der tiefen Filter als erstes anzuschaffen. Die Belohnung ist ein Blick durch den eigenen Kopf.

Filterarten

Das ist keine Werbeaktion für einen einzelnen Hersteller, neben Heliopan gibt es IR-Durchlassfilter von B+W, Hoya, Cokin, Kodak und Wratten. Für den technisch interessierten bietet jeder Hersteller für seine Filter genaue Diagramme die zeigen wieviel der Filter sperrt und wieviel er durchläßt.

Hier als Beispiel die Heliopan-Filter:

Daraus lässt sich ablesen dass es hier nur 3, eigentlich 2 Filter geben würde die unseren Wunsch nach kompletter Sperrung des sichtbaren Spektrums erfüllen.

 

Und jetzt?

Das unerwünschte Licht ist nun also gesperrt, nur "unsichtbare" Strahlen kommen noch durch den Filter - wir halten nun also eine kleine, tiefschwarze Scheibe in der Hand und harren dem Erzähler.

Es gibt viele Wege die nach Oberammergau führen, alle sind mit Schlaglöchern versehen für die nun eine Karte gezeichnet werden soll.
Man kann Infrarotfotografie auf 2 grundverschiedenen Medien ausführen - auf analogem Film und durch digitale Bildaufnehmer.
Das Format spielt dabei keine Rolle - Infrarotfilme gibt es von Kleinbild bis Großformat, digitale Bildaufnehmer in ähnlicher Formatvielfalt.
Bevor wir die Weggabelung erreichen an der wir den Film erst einmal umgehen hier ein paar Grundinformationen:

Das Medium, auf das wir aufnehmen wollen muss in der Lage sein die einfallenden Wellen unserer Wunschlänge auch zu speichern.
Da eine zu starke Empfindlichkeit für infrarote Strahlung von den Herstellern absolut unerwünscht ist weil sie die Zeichnung des Rot negativ beeinflusst unternehmen sie alles um diese auszusperren. Normaler Farb- oder Schwarzweiß-Film ist bis vor den IR-Bereich empfindlich - dann ist Schluss. Heißt wir können unseren Filter zwar aufschrauben, außer Nichts wird aber nicht viel zu sehen sein - egal wie lange wir belichten.Die Lösung dafür bieten hauptsächlich schwarzweiße Filme die speziell für die Infrarotfotografie aufbereitet wurden und ein einziger Farbfilm. DER IR-Film überhaupt ist der Kodak HIE (High speed Infrared Emulsion). Sein Haupteinsatzzweck war die Luftüberwachungsfotografie, in Zeiten in denen noch nicht hunderte von Satelliten mit feinsten Sensoren an Bord um unseren Planeten kreisten die einzige Möglichkeit sehr klare Fotos aus der Luft zu bekommen.
Nach und nach haben auch die FineArt-Fotografen und dann die ambitionierten Amateure den Infrarotfilm als gestalterisches Mittel lieben gelernt, deshalb gibt es von Ilford, Maco und Konica auch Infrarotfähige Filme, keiner davon aber sieht so tief ins nahe Infrarot wie der Kodak HIE - bis 1000nm.Der Farbfilm, der Kodak EIR, ist ein sehr eigenes Gestaltungsmittel, seine Verbreitung hielt sich aber in Grenzen da die Handhabung sowie die Ergebnisse doch nur eher einen kleinen Teil der Leute überzeugen konnte.

Digital - und der Grund dafür dass die Infrarotfotografie wieder eine Renaissance erlebt liegt in einer technischen Eigenart der Bildaufnehmer. Das Ei, das den Ingenieuren nach der Entwicklung gelegt wurde sorgte in den Anfangszeiten der digitalen Fotografie für lange Gesichter - die digitalen Bildaufnehmer sind als Geschenk bis zu einer Wellenlänge von ca. 1200nm empfindlich.
Die ersten digitalen Kameras waren dadurch auch nicht gerade berühmt für ihre schönen Rottöne - bis ca. 2002 hatten die Hersteller dieses Problem noch nicht vollständig im Griff.Was also passieren musste war die komplette nachträgliche Sperrung der infraroten Strahlung. Da es wohl nicht funktioniert einfach gnadenlos bei 780nm zuzudrehen musste ein sanfter Kompromiss gefunden werden. 2004 hatten alle renommierten Hersteller "endlich" die Sperrfilterung befriedigend im Griff. Bei den Systemkameras wurde ein Glasblock in den Strahlengang gesetzt auf den der HotMirror ("heisser Spiegel", heiß, weil er die Strahlung oberhalb von Rot zurückwirft - diese Amis mit ihren schlagkräftigen Wortschöpfungen ;-) ) aufgedampft wurde. Digitale Spiegelreflexkameras mussten etwas hochwertigere Lösungen finden - ein Glasblock, der ja ein weiteres optisches Element ist, fällt naturgemäß beim Einsatz von Wechseloptiken aus.Von liebevollen Wechselscheibchen angefangen sind die Hersteller dann aus Kostengründen dazu übergegangen den HotMirror direkt auf das Bayer-Gitter auf dem Bildaufnehmer aufzudampfen.

Zusammenfassung:

Beim Einsatz von Film entscheidet man selbst über die IR-Empfindlichkeit des Mediums und muss dann nur noch mit einer geeigneten Optik und dem Filter der Wahl die richtigen Belichtungen machen.

Bei digitalen Kameras wäre eine äußerst hohe Empfindlichkeit bereits systemimmanent vorhanden, da die Hersteller aber hart arbeiten mussten um die IR-Einstrahlung zu verhindern damit die Fotografen schöne Farbbilder bekommen gibt es je nach Modell mehr oder weniger große Hürden zu nehmen bevor man sich an die Fotografie machen kann. Dazu mehr im nächsten Kapitel.