Kapitel 8

Böser Filter
oder
Wenn Winterabende zu lang sind

Mit einer gesperrten Kamera kommt man eben nur so weit, bestimmte Motive bleiben einem völlig verschlossen und wenn es nicht windstill ist werden die meisten Aufnahmen draussen auch meist nicht so toll weil die Blätter an Ästen durch die Bewegungsunschärfe verschmiert werden.
Also muss das schneller werden. Wenn Sie Infrarotfotografie auf Film betreiben wollen stellen sich diese Probleme nicht - Der Kodak Highspeed Infrared Film ist namenskonform empfindlich und erlaubte schnelle Verschlusszeiten.
Der arme Digitalfotograf hingegen ist mit einem kleinen Glaselement in seiner Kamera gestraft, ein Element das gleichzeitig als Farbfilter und als HotMirror eingesetzt wird, der HotMirror letztlich der Schuldige an der Misere da seine Aufgabe ist alle Wellen oberhalb einer herstellerspezifischen Grenze (meist wohl ab ca. 720nm) wieder zurückzuwerfen. Daher auch die rote Reflexion oben auf dem Bild.
Wenn nun also eine ausgemusterte Kamera im Hause ist, die Infrarot-Outdoorsaison (April - Oktober) noch aussteht und die Abende lang sind - warum dann nicht die alte Kamera wieder einem edlen Einsatzzweck zuführen und den Filter ausbauen?

Dazu ein Wort der Warnung, obligatorisch. Eine Kamera zu zerlegen und wieder zusammenzubauen ist keine Hexerei. Schliesslich muss sie ja schonmal irgendwo zusammengebaut worden sein - also gehts auch den umgekehrten Weg. Ein bisschen handwerkliches Geschick, strukturiertes, ruhiges Arbeiten und das Bewusstsein über die hochgeladenen Blitzkondensatoren in der Kamera reichen dazu. Selbstverständlich sind die Kondensatoren brandgefährlich was auch durch Aufkleber auf denselben noch weiter unterstrichen wird. Man muss sich eben vorsichtig vorwärts arbeiten.
Dennoch ist die Chance dass die Kamera bei der Aktion ihren Geist aufgibt gegeben - bei einem Umbau bei mir im Hause durfte ich einen Freund dabei beobachten wie unter seinem Schraubendreher aus seiner Minolta S414 nach einem kleinen Fünkchen ein Rauchwölkchen aufstieg - nicht aufgepasst, einen Kurzschluss am trotz entnommener Akkus immer noch stromführenden Kreis wahrscheinlich des Blitzes und das vorzeitige Ende der Kamera war erreicht.
Diese Möglichkeit muss man nur grundsätzlich in Kauf nehmen, es gibt einfach keine Garantie dass die Kamera nach diesem Eingriff noch funktioniert. Ich habe bisher 3 Kameras umgebaut die klaglos laufen, die letzte war nach 15 Minuten einsatzbereit.

Da viele kleine Schräubchen und Einzelteile anfallen sollte man sehr strukturiert an die Ablage gehen. Ich habe mir auf dem Tisch eine 6-Seiten Ansicht der Kamera aufgezeichnet und jedes entnommene Element an die korrespondierende Stelle auf der Zeichnung abgelegt. Weiterhin ist natürlich eine ausführliche Fotodokumentation nötig, das sollte aber das geringste Problem für den Fotografen sein ;-)

So sieht ein Durchgang bis zum Ziel, dem "Mount CCD" aus. Fotografieren Sie jede Steckverbindung, gerade bei den immer kleiner werdenden Kameras mit Sandwich-Platinen ist das sehr wichtig.

Schnell hat man dort einen Wust an Platinen vor sich - da hilft nur langsames Arbeiten mit reichlich Dokumentation. Gut dass man wenigstens immer weiss wo der CCD zu finden ist - direkt hinter der Optik ;-)

Wie hier ist der Sperrfilter oft direkt auf einen Rahmen um den CCD nur aufgeklebt. Ihn dort zu entfernen ist mit etwas Vorsicht und einer scharfen Klinge kein Problem.
Was aber zum Problem werden kann ist der Schritt danach. Als erstes müssen Sie dafür sorgen dass der "nackte" CCD sofort staubdicht abgedeckt wird.
Dann halten Sie den Sperrfilterblock in der Hand und die Frage nach dem "was nun" springt einen geradezu an.
Wenn man wie ich am Freitag abend an so einen Umbau gegangen ist (solche Sachen müssen eben immer Freitags nach 18.00 Uhr stattfinden, ein Naturgesetz) und einem plötzlich schwant dass man hier ein optisches Element in der Hand hält das in Strahlengang sass wird einem schnell klar dass ohne Ersatz mit gleicher optischer Dichte und Massen wohl irgendetwas nicht mehr so ganz funktionieren kann.
Da eben Freitag und ich ein ganz kleines bisschen ungeduldig musste ich die kamera natürlich so wieder zusammensetzen um zu sehen was passiert. Aufgeben an so einer Stelle geht schwer, das kann man natürlich nicht akzeptieren, dann lieber die Mehrarbeit mit der Kameramontage ;-)
Dass die Kamera damals nach dem Einschalten einfach wieder "ansprang" als ob nichts gewesen wäre war schonmal stressabbauend - nur leider war das Bild nun völlig unscharf. Ein bisschen nachdenken half mir dann auch das zu verstehen. Im Nahbereich bis ca. 30cm allerdings war alles wunderbar scharf. Also habe ich dieses eher zufällige Geschenk der IR-Makro-Kamera auch fleissig genutzt. Da ich aber gern meinen Unendlich-Fokus gehabt hätte weil doch die Landschaften und die Bäume riefen habe ich ein bisschen rumgebastelt und mit ein paar Distanzringen und einem Weitwinkelconverter tatsächlich ein scharfes Bild bekommen, in den Ecken allerdings grauenhaft unscharf.
Wie das so ist, diese Lösung wurde dann für die nächsten Wochen zur Dauerlösung. Erst habe ich die Optiker des Ortes abgeklappert die alle "nachfragen" wollten und nichts zustande bekommen haben. Als die Verzweiflung schon fast auf dem Höhepunkt nach 3 Wochen ankam und ich schon darüber nachdachte in den USA Rohmaterial zu bestellen fuhr ich zu meinem Glaser und fragte ihn - nach 3 Minuten konnte ich für 0 Euro einen klaren Glasblock in der richtigen Stärke mitnehmen - schön dass Murphy immer bei einem ist.
Das ist auch der wichtigste Punkt - die richtige Stärke des Blockes. Sehr erfreulich wenn man einen Block in der Kamera hat der eine Standard-Stärke besitzt. Das ist nur leider nicht in jeder Kamera so. Wenn Sie also eine "krumme" Grösse haben bleibt nur die Bestellung eines Glases in dieser Stärke - oder ein etwas dickeres Glas das Sie selbst zurechtschleifen.

Schnelles IR ist ein Spass der kaum mit der gesperrten Variante vergleichbar ist. Überlegen Sie sich ob sie nicht wirklich die alte Cam, die keiner mehr benutzt einem neuen Einsatzzweck zuführen wollen.